Fluch und Segen der neuen Medien

Die meisten von uns werden inzwischen ein Smartphone besitzen und dessen Möglichkeiten ausgiebig nutzen. Dabei stehen immer weniger das klassische Telefonieren als vielmehr die ständige Erreichbarkeit und die Möglichkeit, Fotos und Dateien zu übermitteln im Vordergrund. Eine dieser Möglichkeiten ist der kostenlose Nachrichtendienst WhatsApp, den viele von uns, unter anderem auch ich, ausgiebig nutzen. Nicht nur die Möglichkeit der Zweier-Kommunikation, sondern gerade die des Gruppen-Chat ist bestechend und erleichtert den Austausch enorm. Aber gerade die letztgenannte Form der Kommunikation birgt ebenso Risiken und Gefahren, denen sich viele nicht bewusst sind. Zum einen bestätigt man bei der Anmeldung bei WhatsApp, dass man mindestens 16 Jahre alt ist. Viele der Nutzer sind dies jedoch nicht, schon viele Fünftklässler sind bei WhatsApp angemeldet. Hier wird vorausgesetzt, dass die Erziehungsberechtigten von der Anmeldung Kenntnis genommen, diese gebilligt haben und eine gewisse Kontrolle über die von ihren Kindern verschickten Nachrichten ausüben. Dass dies nicht immer möglich ist und wir unsere Kinder an dieser Stelle durch nachlassende Kontrolle zur Selbstständigkeit und selbst verantworteten Nutzung erziehen, ist der eine wichtige Aspekt der Medienerziehung. Was aber, wenn´s schief läuft? Wenn in einem Gruppen-Chat Einzelne ausgeschlossen, beleidigt oder regelrecht „gemobbt“ werden. Auch wenn man dem Begriff des Mobbing eine inflationäre und nicht immer angemessene Verwendung unterstellen muss, werden hier dennoch oftmals Grenzen überschritten, die zu Verletzungen Einzelner führen. Die sich, da sie oftmals ausgeschlossen sind, nicht wehren können. Die wiederholt angegriffen werden. Die dann mit einem unwohlen Gefühl zur Schule kommen und sich hier gegebenenfalls auch unkontrolliert zur Wehr setzen.

Auch wenn an dieser Stelle mit einem Privatgerät im außerschulischen Bereich gearbeitet wird, sind wir als Schule dennoch immer betroffen, da die über WhatsApp eingerichteten Gruppen überwiegend im schulischen Kontext stehen und die betroffenen Kinder zumeist in ihrer Rolle als Schüler betroffen sind.

Was können wir tun?
Zuallererst schauen wir nicht weg, sondern reagieren und gehen Vorwürfen nach. Wir führen Gespräche mit ALLEN Betroffenen, um aufzuklären und zu sensibilisieren. Wir binden die Eltern in die Kommunikation sofort mit ein und betreiben ein gemeinsames, vom Elternhaus unterstütztes Vorgehen. Aber: Wir haben auch feststellen müssen, dass ein nachträgliches Reagieren oftmals für die direkt Betroffenen nicht hilfreich genug ist, da Verletzungen im Vorfeld stattgefunden haben, die mit Entschuldigungen alleine kaum auszugleichen sind.

Daher werden in diesem Schuljahr am Gymnasium acht Medienscouts aus den Reihen der Schüler/innen und zwei Kolleginnen ausgebildet, um frühzeitig agieren und präventiv tätig werden zu können. Weiterhin sind für den besonders betroffenen sechsten Jahrgang im Rahmen des Gesundheitstages Workshops geplant, in denen man lernt, wie sensibel man mit WhatsApp umgehen kann und wo die Gefahren liegen, für beide Seiten. Denn eines ist auch wichtig: Wir wollen und werden niemanden kriminalisieren oder stigmatisieren! Es handelt sich überwiegend um Kinder, denen die Gefahren nicht bewusst sind und die vieles, was sie geschrieben haben, nicht so meinen. Aber: Das geschriebene Wort tut besonders weh, weil es wiederholt gelesen werden kann. Man kann es nicht überhören, wie eine verbale Entgleisung, es ist fixiert und gespeichert. Und es ersetzt nicht die reale Kommunikation, Auge in Auge, bei der Mimik, Gestik und Stimmlage wichtige Begleiter sind, um eine Nachricht korrekt „rüberzubringen“ und richtig entschlüsseln zu können.

Wir haben gute Hoffnung, mit der zukünftigen Prävention im Vorfeld Erfolg zu haben und setzen auf das Verständnis und die Unterstützung der Eltern, denn Medienerziehung kann an dieser Stelle nur gemeinsam gelingen.

 

In dieser Hoffnung, Ihr Michael Strohmeyer