Liebe Schulgemeinschaft,

ein Sprichwort sagt, dass neue Besen gut kehren. So sind mit dem Arbeitsbeginn der neuen GroKo wieder einige Ideen in der Bildungspolitik ins Gespräch gekommen, die zwar nicht neu sind, aber immer mal wieder zur Profilierung genutzt werden und die den Schulen weitere Anforderungen stellen und Aufgaben übertragen möchten.

Dass die digitale Bildung und Medienerziehung vollständig dem Bildungssystem zugewiesen werden, versteht sich dabei von selbst. Eine „digitale Bildungsoffensive“[1] soll die Schulen vor allem mit digitaler Technik ausstatten, als ob dieses das einzige Mittel der Wahl wäre. Dabei wird leider schnell übersehen, dass Kollegien geschult werden müssen, dass die Administration von Systemen geklärt werden muss und neben der sächlichen Ausstattung vor allem viel Geld in Knowhow und personelle Ausstattung fließen müsste. Vergessen sollte man aber weiterhin nicht, dass die Schüler/innen mit einer respektablen Vorbildung in die (weiterführende) Schule kommen, die meisten bereits ein Smartphone besitzen und so z.B. WhatsApp verwenden. Vor einigen Jahren wurde einmal ein „Elternführerschein“ diskutiert, der Eltern zur Erziehung ihrer Kinder befähigen und dies zertifizieren sollte. Nun muss auch die Frage erlaubt sein, wann eigentlich die digitale Bildung ansetzen soll und ob es alleinige Aufgabe der Bildungseinrichtungen sein kann, „digital natives“ aus Elternhand zu übernehmen und vorgeprägte Muster digitaler Nutzung in neue Bahnen zu lenken, Schutzräume zu definieren und Verbote durchzusetzen.

In diesem Zusammenhang ist zusätzlich, wieder einmal, das Fach „Erziehung“ auf den übervollen Büchertisch der Bildungspolitik geworfen worden. Auch hier fragt man sich, ob dies alleinige Aufgabe der Schulen sein kann, ob diese nicht schon in den Elternhäusern beginnen sollte und in der Schule entsprechend weitergeführt wird – oder auch einmal gegengesteuert werden muss. Erziehung findet in der Schule beständig statt, im Unterricht, in den Pausen, auf Exkursionen, Klassenfahrten und allerkleinsten Handlungssituationen. Eines zusätzlichen Faches bedarf es daher nicht. Eine grundsätzliche Abstimmung der Leitlinien von Erziehung mit den Erziehungsberechtigten wäre ein Ansatz, der die Erziehungsarbeit in Schule durchaus entlasten würde. Wenn der 16-jährige Schüler zu Hause angeblich rauchen darf, weil es die Eltern auch tun, dieses in der Schule aber selbstverständlich verboten ist und sanktioniert werden muss, ziehen beide Seiten nicht am selben Strang und Erziehung behindert sich gegenseitig. Wenn die Schülerin der Oberstufe jeden Morgen mit dem SUV bis vor die Schultür gefahren wird, vergessene Sportutensilien selbstverständlich von der Mutter hinterhergefahren werden, wird Erziehungsarbeit, die zu Eigenverantwortung führen soll, konterkariert. 

Daraus ein eigenes Fach konstruieren zu wollen hieße, zuerst einen eklatanten Mangel festzustellen, der anders nicht aufgefangen werden kann. Falls dies so wäre, müsste man viel früher und nicht erst in der Schule ansetzen. Also doch der „Elternführerschein“?

Neben diesen wichtigen Themen stellt sich die Diskussion über die seit dem 25. Mai gültige Datenschutzgrundverordnung fast als Scheinriese dar. Wir werden zurzeit als Privatpersonen mit einer Unmenge an Informationsschriften überflutet, in denen Firmen uns über unsere Rechte aufklären und um Zustimmung bitten, weiterhin unsere Daten verarbeiten zu dürfen. Auch die Schulen müssen als Behörde entsprechend reagieren und ihre Klientel über die Art und Weise, wie Daten verwendet und geschützt werden, aufklären. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung liegt dabei selbstverständlich bei dem „Datenspender“, dem auch das Recht zusteht, zu wissen, welche Daten über ihn oder sie erhoben wurden. Dies nutzen unsere Schülerinnen und Schüler inzwischen auch sehr eigenständig, sodass z.B. nicht alle Namen unseres diesjährigen Abiturjahrgangs in der Zeitung oder unseren schulinternen Veröffentlichungen dargestellt werden.

Das ebenso wichtige Thema der Unterrichtsversorgung ist in dieser Diskussion gerade ein wenig ins Abseits geraten. Dies mag daran liegen, dass für das kommende Schuljahr einige Schulformen, z.B. die Gymnasien, sehr gut versorgt worden sind und über andere noch keine belastbaren Informationen vorliegen. Das heißt im Klartext, dass alle Gymnasien in Niedersachsen mit weiteren Abordnungen an Grund-, Haupt-, Real- oder Oberschulen rechnen müssen, um einen Ausgleich der Unterrichtsversorgung zu erzielen. Dies ist zwar gelebte, aber auch verordnete Solidarität im besten Sinne. Sollten auch wir, das Gymnasium Alfeld, wieder Stunden abgeben müssen, werden wir dieser Anordnung selbstverständlich Folge leisten und nach jetzigem Stand können wir es uns auch leisten, denn unsere Unterrichtsversorgung für das kommende Schuljahr ist durchaus gut. Man darf allerdings nicht vergessen, dass für die betroffenen Kolleginnen und Kollegen durch die Abordnung zusätzliche Belastungen entstehen, die eigentlich von behördlicher Seite aufgefangen und kompensiert werden müssten. Letztendlich bleibt der schwarze Peter wieder bei den Schulleitungen, die als ausführendes Organ festlegen, wer mit wieviel Stunden abgeordnet werden soll. Im laufenden Schuljahr waren dies übrigens fünf Kolleg*Innen mit insgesamt gut 30 Stunden Unterricht, die betroffen waren. Zwei weitere unterrichten schon seit Längerem in der AMEOS-Klinik – auch diese Abordnung wird weiter bestehen.

In diesem Sinne werden wir uns kreativ den neuen Aufgaben stellen!

Ihr Michael Strohmeyer

 

 [1] Als Fußnote sei erlaubt, den Begriff der Offensive an sich in Frage zu stellen, denn er meint i.e.S. den planmäßigen kriegerischen Angriff. Dieser Begriff hat in pädagogischen Zusammenhängen keine Berechtigung und dient wohl nur der Zuspitzung und Emphase oder soll von eigenen Versäumnissen ablenken.